Positionierung zur Initiative #WirWerdenLaut

Innerhalb von kurzer Zeit haben sich über 80.000 Personen der von 100
Schülersprecher:innen aus Deutschland gestarteten Online-Petition unter dem Motto WirWerdenLaut angeschlossen. In einem offenen Brief stellen die Inititator:innen klare Forderungen an die Bundesbildungsministerin und die Kultusminister:innen der
Länder. Die Bundesschülerkonferenz begrüßt das Ansinnen, einen bewussteren und
ernsthaften Umgang mit Kindern und Jugendlichen sowie deren Meinungen in der
Pandemie einzufordern, und sieht einige thematische Überschneidungen zwischen
Positionen der Initiative und der Bundesschülerkonferenz als Zusammenkunft der
Landesschülervertretungen. Gleichzeitig bestehen in anderen Punkten inhaltliche
Differenzen, die es klar zu benennen gilt. Ein argumentativer Austausch zwischen den
Initiator:innen und dem Bundessekretariat der Bundesschülerkonferenz ist bereits auf
Einladung letzterer erfolgt.

Mehr Aufmerksamkeit für die Positionen von Schüler:innen
Die Belange, das Wohlbefinden und die Forderungen von schulpflichtigen Kindern und
Jugendlichen wurden in mittlerweile zwei Jahren Pandemie wenig gehört. Noch
immer fehlen Luftfilter an Schulen, die Digitalisierung ist auf keinem Niveau, das
Distanzunterricht zumindest in der Stoffvermittlung zu einer zu vermeidenden, aber
gut möglichen Alternative machen würde. Die psychischen Probleme, die die
Pandemie für junge Menschen ganz besonders mit sich bringt, treten erst jetzt nach
und nach in ernstzunehmende öffentliche Diskussionen. Als Schülervertreter:innen,
die sich auf Landes- und Bundesebene engagieren, stehen wir zwar in Kontakt mit
wichtigen Entscheidungsträger:innen, doch die Einbeziehung in
Entscheidungsfindungen, die uns direkt betreffen, erfolgte auch in den letzten zwei
Jahren nur auf einem nicht zufriedenstellenden Niveau. Trotz nachfolgend benannter
inhaltlicher Unterschiede begrüßen wir deshalb das bereits in der Öffentlichkeit
erreichte Ziel der Petitionsinitiator:innen, Aufmerksamkeit für die Gruppe
herzustellen, die bisher wesentlich zu wenig von jener bekommen hat.

Wir sind der Überzeugung: Gute und kluge Entscheidungen für Schüler:innen können
nur gemeinsam mit Schüler:innen getroffen werden.

Kritik an Position 4: Aufhebung der Präsenzpflicht löst keine Probleme
Schulen müssen möglichst sichere Orte innerhalb der Pandemie darstellen, ohne
dabei den Unterrichtsbetrieb grundsätzlich durch Distanzunterricht in Frage zu
stellen. Lange Phasen der Schulschließungen haben in der Vergangenheit einen
großen Teil dazu beigetragen, dass Kinder und Jugendliche vermehrt mit
psychischen Problemen zu kämpfen haben. Gemäß bereits beschlossener Positionen
der Bundesschülerkonferenz gilt es daher, Distanzunterricht so lange wie möglich zu
vermeiden. Dieses Versprechen weiterhin aufrecht zu erhalten, ist Verantwortung der
Kultusminister:innen.

Die Aufhebung der Präsenzpflicht würde zu einer großen zusätzlichen Belastung für
Lehrer:innen führen und Chancenungleichheit unter Schüler:innen verschärfen. Zwar
hätte der stärkere Ausbau digitaler Möglichkeiten diese Effekte eindämmen können,
allerdings sind diese auch nach zwei Jahren Pandemie nicht ausreichend gefördert
worden. Zudem wird die Verantwortung ein weiteres Mal auf Schüler:innen umgelegt,
indem sie selbst die Risiken des Schulbetriebs einschätzen sollen.

Die Bundesschülerkonferenz spricht sich daher dafür aus, durch deutlich ausgebaute
Testkonzepte (Testpflicht mit hochwertigen Schnelltests (1) dreimal wöchentlich (2), auch
für Schüler:innen, die bereits die dritte Impfung erhalten haben(3)) sowie die zügige
Umsetzung der in Punkt 2 der Petition aufgeführten verstärkten Maßnahmen das
Infektionsgeschehen an Schulen einzudämmen und vorzubeugen.

Kritik an Position 7: Benannte Forderungen zur Entlastung der Abschlussjahrgänge
sind unrealistisch und wenig funktional

Auch der dritte Jahrgang von Schüler:innen, die ihren Abschluss in Pandemie-Zeiten
absolvieren müssen, ist von Einschränkungen im Schulbetrieb betroffen.
Anpassungen der Abschlussprüfungen sind daher unerlässlich. Die in der Petition
vorgeschlagenen Forderungen halten die Mitgliedsländer der
Bundesschülerkonferenz dazu allerdings für ungeeignet und zum Teil überspitzt.

Insbesondere der Vorschlag, mehr Noten als vorgesehen streichen zu können,
scheint unter Beachtung geltender Oberstufenregelungen unpraktikabel und schwer umsetzbar. Unter dem Gesichtspunkt, dass der vergangene Abschlussjahrgang
zudem wesentlich stärker von coronabedingtem Ausfall betroffen war und
Schüler:innen, die in diesem Jahr ihren Abschluss absolvieren, auf einen wesentlich
größeren Teil an zusammenhängendem Präsenzunterricht zurückblicken können, ist
dieser enorme Aufwand nicht zu rechtfertigen. Stattdessen sollten die
Kultusminister:innen der Länder auch in diesem Jahr auf Ausgleiche in den
Abschlussprüfungen setzen, die mehr Auswahlmöglichkeiten bieten und eine längere
Bearbeitungszeit ermöglichen. Jedes weitere Vorgehen würde über den Charakter
eines Ausgleichs hinausgehen und eine Anpassung darstellen, die den Wert des
Abschlusses gefährden kann. Im Wohle aller Schüler:innen der Abschlussjahrgänge
sollte das vermieden werden.

Wünsche für das weitere Vorgehen
Den Mitgliedsländern der Bundesschülerkonferenz sowie dem koordinierenden
Bundessekretariat war es ein wichtiges Anliegen, mit den Initiator:innen der Petition
in Kontakt zu treten und einen inhaltlichen Austausch anzustreben. Aufgrund der
genannten Punkte ist eine volle Unterstützung der Kampagne seitens der
Bundesschülerkonferenz allerdings nicht möglich. Wir möchten darüber hinaus alle
Schüler:innen und Schülervertreter:innen, die den Brief unterzeichnet haben, dazu
animieren, sich in den gesetzlich legitimierten Mitwirkungsgremien auf Landes- und
Kommunalebene zu engagieren. Es ist im Interesse aller Schüler:innen Deutschlands,
wenn die bereits vorhandenen Mitwirkungsstrukturen weiter gestärkt werden und
eine noch stärkere Stimme erhalten. Denn nur zusammen als Schüler:innenschaft
kann es uns gelingen, unsere Belange und Positionen weit oben auf den
Tagesordnungen derer zu platzieren, die dann nicht mehr nur über uns, sondern mit
uns entscheiden.

(1) nach Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts

(2) Der Landesschülerrat Bayern spricht sich für eine verpflichtende tägliche Testung aus. Dazu können auch, wie durch die Initiative gefordert, Pooltests verwendet werden.

(3) Der Landesschülerrat Niedersachsen sieht eine Testpflicht für Geboosterte als nicht notwendig an, setzt sich allerdings dafür ein, dass Kapazitäten für eine freiwillige Testung zur Verfügung stehen.

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